Eigenbau: Aktive (Bessel-)Frequenzweichen
(Friedrich Wilhelm Bessel, deutscher Astronom u.
Mathematiker, 22.7.1784 - 17.3.1846)
Universelle Berechnungsgrundlagen aktiver Filter
in Bessel-, Butterworth- und Tschebyschefftechnik, Praxis nach einer
Studienvorlesung von 1982
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Im Stern Abhöranlagen werden mehrere
Komponenten von HiFi-Anlagen vorgestellt, die unter der Vorgabe bestmöglicher und
erschwinglicher Klangreproduktion zusammengestellt worden sind. Diese Komponenten
einzeln genauer - d. h. praktisch nachvollziehbar und nachbaubar - vorzustellen, wäre im
Sinne der Verbreitung sehr guten und richtigen Klangs (statt "Sounds"), der Ermunterung zur
kreativen, Klang, Kunst und Technik verbindenden Betätigung sehr naheliegend, aber
mittlerweile sind die meisten Aggregate schlicht nicht mehr erhältlich (was überhaupt keine
qualitative Abwertung bedeutet!):
- die Optimierung eines Plattenlaufwerks, auch mittels besserem Tonabnehmer,
interessiert heute höchstens wenige Plattenenthusiasten (ähnliches gilt für den Eigenbau
eines MC-Vorverstärkers), die vor allem über entsprechend exzellent klingende
Platten verfügen müßten (da wird viel Schund getrieben!). Dennoch: Das nachbaubare, einfache
Schaltungsdesign eines exzellent klingenden MC-Vorverstärkers mit Hochpegelausgang soll hier
bald noch Berücksichtigung finden; anhand der Daten der verwendeten Bauelemente wie extrem
rauscharme OP`s kann der engagierte Eigenbauer entsprechende, aktuelle Typen vergleichen
und hoffentlich finden.
- die Bauelemente der beschriebenen, selbstgebauten Verstärker/Digital-Vorverstäker
("Apex PA 02D"/"Burr-Brown PCM63", "DF 1700"; "Crystal CS8412") gibt es schon lange
Zeit nicht mehr und Leistungs-OP`s bzw. Digital-IC`s, mit denen
ich keine Erfahrung habe, möchte und kann ich hier nicht ohne weiteres empfehlen.
- ähnlich stellt sich die Situation bei den Lautsprechern dar, die ich in den
vorgestellten Gehäusen verbaut habe; vor allem die isodynamischen Infinities ("EMIT"
und "EMIM") sind schon lange nicht mehr erhältlich; in diesem Zusammenhang kann ich
für den ernsthaft interessierten Lautsprecherenthusiasten folgende Bücher empfehlen,
die meiner Meinung nach das Zeug zum Standardwerk haben (noch erhältlich?):
HiFi-Lautsprecher; H. Sahm; Franzis-Verlag; ISBN 3-7723-6521-3 (1978)
Arbeitsbuch für Lautsprechersysteme; Sahm; Franzis-Verlag; ISBN 3-7723-8651-2
(1987).
Hier lernen Sie dann, worauf es wirklich ankommt und können sich darin üben, Vorurteile
aufzugeben!
- bleiben die Frequenzweichen; diese eignen sich sehr gut, weil hier unverfälschter
Klang aus der theoretischen Physik sehr gut ableitbar und diese Theorie rel. einfach
und preisgünstig in die Praxis umsetzbar ist, wenn man die Regeln kennt!
Konzentrieren wir uns auf die sog. Bessel-Filter, nicht ohne ab und zu einen
Seitenblick auf die beiden anderen, hier vor allem aus Vergleichsgründen interessierenden
Filterarten (Butterworth, Tschebyscheff) zu werfen.
Keine Angst, ich halte hier keine Hochschulvorlesung und halte mich mit der Theorie
kaum auf, man soll baldmöglichst die Berechnungs- und Schaltungsdesigngrundlagen für beste
und preiswerte Praxisergebnisse kennenlernen (Erklärungen in Stichworten)!
Man bedenke aber immer: Das Niveau der gesamten Übertragungskette sollte stimmen, einzelne
Hochpunkte sind nicht zielführend! Und: Sägende Brüllwürfel aus der populären Surroundszene
sind sicher nicht die Anwendungsfälle angegebener Filtervorschläge!
Die vorliegenden, einzigartigen Empfehlungen aus einer alten Studienvorlesung von 1982
(keine populärwissenschaftliche Literatur) konnte man mit etwas Erfahrung sofort mit
bestem Erfolg in die Praxis umsetzen; ein äußerst positives Erlebnis!
Meine eindeutige Erfahrung: Je besser die Klangtechnik, desto mehr hört man Klassische Musik
und exzellent aufgenommene Popmusik mit entsprechenden Stimmen und man läßt die Finger
von irgendwelchen Frequenzmanipulationen! Stimmen werden dann immer wichtiger, auch
wenn die Musik in mono wiedergegeben wird.
Vorsicht wenn alles stimmt: Suchtgefahr (schon allein
deswegen sollte man vieles selbst bauen, ansonsten drohen evtl. Finanzprobleme)!
Klangniveau ist nicht in erster Linie eine Frage von mono, stereo oder irgendwelchem
"surround"......eine nähere Erklärung oder Verdeutlichung führte hier aber zu weit!
1. Teil: Vergleich der Filterarten und Auswahl
Literatur: Linearverstärker; Gerd Harms; Vogel-Verlag; ISBN 3-8023-0592-2; 2. Auflage;
1980.
Die reine Theorie (Mathematik/Physik) legt schon in beiden Bereichen die Eigenschaften
eines Filters fest; Zielvorstellung:
a) Frequenzbereich (FB): Möglichst gleichmäßiger Amplitudengang
("Frequenzgang")
im Durchlaßbereich, steiler Abfall
in den Sperrbereich:
Klangneutralität, Natürlichkeit, geringe Belastung der Lautsprecher
mit "fremden" Frequenzen bzw. großer Übertragungsbereich
b) Zeitbereich (ZB): Möglichst kleine Steigzeit/Einstellzeit,
konstante
Gruppenlaufzeit:
Impulsfestigkeit, Schnelligkeit, Klangauflösung, Konturierung, "Durchhörbarkeit",
Räumlichkeit, Natürlichkeit
- Tschebyscheff-Filter: Bestes Verhalten im FB, aber auch am schlechtesten
im ZB; kommen für hochwertige Frequenzweichen deswegen nicht in Frage
(bevorzugt angewandt als Antialiasingfilter bei (frühen) CD-Spielern);
Stärke im FB in der Praxis nicht entscheidend
- Butterworth-Filter: In beiden Bereichen befriedigender Kompromiß: Standardfilter in
Lautsprecher-Frequenzweichen bis zur 3. Ordnung; oft in passiven "High-End"
Lautsprecherboxen in der 1. Ordnung (hier Gauß mit n=1) verbaut
- Bessel-Filter: Kann im FB durch Wahl einer hohen Ordnung gut eingesetzt werden; größte
Dämpfung nach der wichtigen ersten Oktave in der 6. Ordnung, besser als Butterworth
2. Ordnung! Im ZB nahezu unabhängig von der Ordnungszahl eine Größenordnung besser als
alle anderen (ca. konstante Gruppenlaufzeit!); einfache Laufzeitentzerrung in
Mehrwege-Frequenzweichen möglich
durch Vorschalten eines entsprechenden, "tiefliegenden" Hochpasses (HP) oder Allpasses
Auswahl für Lautsprecher-Frequenzweichen: Bessel-Filter
6. Ordnung;
Auswahl für Antialiasingfilter (CD) bei 8-fach Oversampling: Bessel-Tiefpaß 8. Ordnung
(genügend große Dämpfung bei 8-facher Samplingfrequenz 352,8kHz)
2. Teil: Berechnung und Schaltung
(1) Definition eines komplexen Polpaares:    
p1,2 = σ +- jΩ (Sigma +- jOmega)
Pole der Bessel-Tiefpässe (TP)
    
Pole der Butterworth-TP
    
Pole der Tschebyscheff-TP1
    
Pole der Tschebyscheff-TP2
Primitiv gesagt: σ ist die Zahl, bei der kein "j" steht (Realteil; Vorzeichen immer
negativ), Ω ist diejenige, die bei "j" steht (Imaginärteil).
(2) Koeffizient b1 = - 2σ;    
Koeffizient b0 = Ω2 + σ2;    
Polgüte Q = Ω/-2σ
Allgemeine Grundschaltung eines Tiefpasses 2. Ordnung mit einer
Güte < ca. 5
- R2 i. a. weglassen, k = b0
- einen TP 6. Ordnung (n=6) erhält man durch
Reihenschaltung (Kaskaden- oder Kettenschaltung) von 3 Grundschaltungen 2. Ordnung (mit
zum Ausgang hin steigender Polgüte)
- Designschritte (Design procedure) 1 - 4 einhalten (Kondensatoren vorgeben, nicht die
Widerstände!)!
- fB ist die genormte Bezugsfrequenz, die -3dB-Eckfrequenz (f-3dB
oder fc ) ist aus der Poleliste ersichtlich (s. unter (1))
- fB ist bei Bessel-TP immer kleiner als f-3dB; bei n=6 (6.
Ordnung) gilt: f-3dB = 2,703fB (siehe Poleliste unter (1))
- ωB = 2πfB
- selbst erstelltes C-Programmlisting zur Berechnung von Bessel-TP
(erstellt auf dem 64kB-Rechner "Casio PB-2000C" von 1986)
(3) Allgemeine Grundschaltung eines Hochpasses 2. Ordnung
- Design entwickelt aus dem TP; beide Kondensatoren vorgeben (kann: beide gleiche
Kapazität)!
- selbst erstelltes C-Programmlisting zur Berechnung von Bessel-HP
(erstellt auf dem 64kB-Rechner "Casio PB-2000C" von 1986)
(4) Bandpässe (für Dreiwegeweichen oder höher) erhält man genügend genau durch
Reihenschaltung von TP und HP bei großer Bandbreite, d. h. bei stark unterschiedlichen
Eckfrequenzen (im nachfolgenden Fall knapp 5 Oktaven)
3. Teil: Praxisbeispiele, Bilder
Einige Praxishinweise:
- Wahl der Eckfrequenzen mit guter Toleranz eher "auseinanderliegend" (keinesfalls
"überlappend")
- ausschließlicher Einsatz niederohmiger (Rauschen!) Metallschichtwiderstände,
Kondensatoren nur Styroflex-, MKS- oder MKP-Typen
- alle passiven Bauelemente einzeln ausmessen (L-C-R-Meßbrücke, digit. Ohmmeter)
- möglichst kurze Freiverdrahtung, Lochrasterplatinen
- abgestufte Pufferung der Versorgungsspannung: Elko, Tantal, MKS-Ko`s möglichst am
Versorgungspin
- vergoldete Steckverbindungen
- ausgelagerte Netzteile, weitere Pufferung im Gerät
- IC-Sockel obligatorisch (vergoldet)
- wie erwähnt: Filterstufen mit zum Ausgang hin steigender Polgüte anordnen
- Operationsverstärker mit stabiler Verstärkung von v=1!
- im Sinne kurzer Signalwege/HF-Festigkeit tlw. Bestückung der Platinenrückseite
Realisierte Beispiele (Mauszeiger über Verweise gibt Infos;
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1) In 2 Goldspiegelgehäusen (Tiffany-Technik): 3-Wege-Bessel-Frequenzweiche
mit Tiefbaß- und Laufzeitentzerrung im HT-Bereich; eine High-End-Weiche mit auf Klang
gezüchteten Einzel-Operationsverstärkern vom
Typ OPA 627 von Burr-Brown; der
Blick ins Innere eines der beiden Gehäuse
verrät nicht, daß insgesamt in beiden Gehäusen ca. 30 OP`s dieser Sorte verbaut wurden.
-3dB-Eckfrequenzen: 180Hz und 4,8kHz.
Es geht auch wesentlich einfacher und preisgünstiger, ohne auf sehr guten Klang
verzichten zu müssen:
2) Ebenfalls im Goldspiegelgehäuse liegen die
beiden Platinen einer 2-Wege-Besselweiche (rechts) mit
Tiefbaß- und Hochtonentzerrung, aufgebaut mit den
2-fach-OP`s OP-275 von Analog Devices
oder auch
OPA 2604 von Burr-Brown. Man könnte auch einen LF 356, 156 (oder 353
bzw. 347) ohne größeren Qualitätsabfall einsetzen!
Die Frequenzweiche ist auf
2 Platinen (mit Versorgungspuffern) aufgebaut, das
Antaliasingfilter ausschließlich mit Styroflexkondensatoren und
Tantal-Elko-Pufferung hat bequem auf einer Platine Platz.
Im Sinne möglichst kurzer Signalwege wurden allerdings immer wieder beide Platinenseiten
bestückt!
-3dB-Eckfrequenz: 400 Hz (Weiche);
-0,2dB-Durchlaßfrequenz: >20 kHz (Antialiasingfilter)
Zum Schluß:
Der dargestellte Bauelemente-Standard datiert aus Anfang der neunziger Jahre, tlw. sogar
aus den Achtzigern; ich wünsche Ihnen dennoch, Sie können heute im aktuellen Bauelemente-
und Selbstbau-Umfeld (ich bin da nicht mehr auf dem neuesten Stand)
Vergleichbares finden und im besten Sinne umsetzen im befriedigenden Bewußtsein - worauf
anfangs hingewiesen - Klang und Technik im Dienste der Kunst kreativ unter einen
Hut gebracht zu haben!
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