Im Frühjahr 1984 war es soweit: Zu meinem Lautsprecherprojekt (siehe
"Musik-Abhöranlagen" (nein, jetzt nicht gleich klicken!)) mußte
noch ein zweites hinzu. Nach langem Überlegen war es klar : Ich einnerte mich
an die "View-Master"-Bilder der 70er Jahre (kennt die noch jemand?), besonders
an die Landschaftsaufnahmen, die in 3-D-Technik aufgenommen besonders reizvoll
waren! Sowas sollte es sein! Ergebnis:
Ich versuchte mich an der Stereofotografie; die Bilderbücher, die man kaufen
konnte, regten das Interesse an, aber die Stereotechnik war nirgends besonders
gut beschrieben. Das beste Buch oder besser Heft, das ich bekam, war:
"Die Praxis der Stereo-Nahaufnahme" von Dr. W. Pietsch; VEB Wilhelm Knapp,
Halle/Saale (1957). Also noch aus der "VEB"-DDR-Zeit!
Eine Schrift, die nicht schöne Bildchen zeigt, dafür aber exzellent in die
optisch-physikalischen Grundlagen der Stereoskopie einweist! Wenn Sie Stereo-
Nahaufnahmen beherrschen, haben Sie das Ganze wirklich assimiliert!
Ein Superbeispiel für einen Stereo-Nahaufnahmebildband kann ich aber jenen empfehlen, die
tolle Farbfotografien als Raumbilder betrachten wollen:
"Faszinierende Natur dreidimensional"; DRW-Verlag Stuttgart; ISBN 3-87181-240-4.
Das KMQ-Verfahren eignet sich zum Betrachten von Auflicht-Raumbildern jeglichen Formats
sehr gut!
Heute bekommen Sie die VEB-Schrift wahrscheinlich nicht mehr, daher kurz das Wichtigste
hier :
Wichtig ist die Beziehung vom Kameraabstand zueinander - das heißt hier "Basis"
- (Sie brauchen 2 identische Kameras)
und dem Abstand zum nächstliegenden Bildpunkt ("Nahpunkt") bei der Aufnahme; als Faustregel
ohne groß Formeln zu studieren gilt bei Landschaftsaufnahmen (hinterster
Bildpunkt (unendlich) weit weg):
Der Abstand der parallel und ebenengleich nebeneinander montierten
Kameras (genau: der Objektive) mal 50 ist der minimale Abstand zum nächsten Bildpunkt;
Bsp.:
Kamera- (Objektiv-)Abstand = 10cm; der nächste Bildpunkt sollte also mindestens
50 mal 10cm = 5m entfernt sein!
Ist der entfernteste Punkt näher als "weit weg" (unendlich), darf der Nahpunkt
auch weniger als den Faktor 50 entfernt sein; als Faustregel ist die 50er-Regel
aber sicher und auch einfach zu merken.
Montage der Kameras am besten auf einem Halter ((Alu-)Flachmaterial) mit
Rändelschrauben zu den Stativgewinden; nicht unbedingt exakt nebeneinander,
sondern auch gestaffelt neben-nacheinander, damit man Basisabstand
(=Objektivabstand) spart und damit
1) Reserven hat in der Natur (wie schnell stört z. B. ein Ast!)
2) kommt man auch dem Augenabstand (ca. 67mm) näher, sonst kann es überzogene
Raumbilder geben, die unnatürlich aussehen.
Bei bewegten Objekten (z. B. bei Wind) müssen die Kameras gleichzeitig
belichten, sonst "flimmert" das Bild an der entsprechenden Stelle, auch bei
Langzeitbelichtungen (z. B. Wasserfall!). Bei elektrisch ausgelösten Kameras
klappt das manchmal (kameraabhängig) durch verbinden der Drahtauslöseranschlüsse
(z. B. bei meiner Rollei 6002 (Mittelformat)); bei anderen muß man
synchronisieren (z. B. meine Contax 159). Bei mechanisch ausgelösten Kameras
klappt`s mit einem einstellbaren (das ist wichtig) Doppeldrahtauslöser.
Einstellen dann nach Gehör (nur e i n "Zack" des Verschlusses sollte hörbar
sein; mit mehreren Verschlußzeiten testen).
Sie wollen die Faszination von selbstgemachten Stereo-Nahaufnahmen erleben?
Nachfolgend dazu ein klitzekleines "C"-Pogrammlisting zur Berechnung des
Basisabstandes und der erforderlichen Blende
(Stereofotos sollten von vorn bis hinten scharf sein!):
main()
{float an,af,bw,gw,basis,blende;
printf("Fernpunkt in mm?");
scanf("%f",&af);
printf("Nahpunkt in mm?");
scanf("%f",&an);
printf("Gegenstandsweite in mm?");
scanf("%f",&gw);
printf("Bildweite in mm?");
scanf("%f",&bw);
blende=pow(bw/gw,2)*(af-an)*10/(bw/gw+1);
basis=an*af*0.0204/(af-an);
printf("Blende=%.0f; Basis=%.0fmm", blende,basis);
}
Ich glaube, die Berechnungsformeln sind nahezu selbsterklärend; "pow(bw/gw,2)"
bedeutet "(bw/gw) hoch 2". "0.0204" ist ca. der Kehrwert von der bekannten "50".
Ich benutze dieses Progrämmchen schon seit Jahren mit sehr guten Ergebnissen. Es ist
klar, daß man Stereoaufnahmen im Nahbereich normalerweise nur durch Verschieben einer
Kamera realisieren kann, also nur bei unbeweglichen Objekten (ansonsten bräuchte
man sehr große Brennweiten).
Jetzt wollen Sie aber sicher ein paar Stereofotos sehen; falls Sie aber die
"Verschmelzungstechnik" mit bloßen Augen nicht beherrschen (oder ein Sehhilfsmittel
nicht auf Ihren Bildschirm loslassen wollen) nützt es Ihnen nichts, zwei
nebeneinander stehende Fotos zu haben (Ladezeiten!); deswegen ein paar Mono-Bilder, die aber
unter stereoskopischen Gesichtspunkten gemacht wurden. Alle Bilder auf dieser
Website sind bei der Aufnahme und Entwicklung nicht "behandelt" worden
(irgendwelche Filter usw.). Also, sie sehen Natur pur (soweit die
Digitalisierung da überhaupt mitmacht)!
Die Qualität eines Stereo-Mittelformat-Bildes (entspricht ungefähr knapp 200 Mio.
Pixel beim Fujichrom Velvia) kann ich Ihnen hier ohnehin nicht
bieten, ist aber so eindrücklich, daß ich seit 1984 außer zu dokumentarischen
Zwecken keine Mono-Bilder mehr mache; dies sollte Empfehlung genug sein
(Raumeffekte bitte nicht zum Selbstzweck als wesentlichen Bildinhalt nehmen!).
Jetzt aber ein paar Bilder :
Die relativ große Gerbera eignet sich sehr gut für die ersten Stereo-Nahaufnahmenschritte,
der Abbildungsmaßstab ist noch klein und die Geometrie gibt eine gute
Chance, die Raumtiefe darzustellen; dazu noch das strahlende Orangegelb vor
dunklem Hintergrund und die Diarahmung so, daß das Bild vor der Leinwand im Raum
erscheint und Äußerungen der Begeisterung sind Ihnen gewiß (ich spreche aus eigener
Erfahrung)!
Als optischen Kontrast zur gelben Gerbera kann man das nebenstehende Blumenmotiv
sehen, obgleich die vorgenannten Gesichtspunkte hier ebenso gelten.
Nein, eine rote, betaute Rose kommt jetzt nicht, dafür Details einer weißen Lilie,
wobei der Maßstab natürlich erhöht werden mußte.
Der Lilienblütenstempel ist nicht mein maßstabsgrößtes Stereobild, aber bei einer
Diaprojektion auf ca. 1,80m Kantenlänge ist jeder Betrachter eingeladen, im Bild
herumzulaufen! Das Motiv erscheint wie gehabt völlig im Projektionsraum vor der
Leinwand und Sie kommen sich vor wie Biene Maja!
Nein, hier keine weitere schöne Blume; diesmal ein Kontrastbild, das man nicht
alle Tage sieht: Das Gebiß eines Piranhas. Pardon, wenn ich zu weit ging.....
Ich kann Ihnen hier nicht die Faszination der Stereo-Nahaufnahmen vermitteln; aus
eigener Erfahrung weiß ich aber, daß diese Bilder die größten Resonanzen hervorrufen!