"Sie strahlte uns an mit riesigen Augen
und dem Klang offener Vokale"
"Maria Callas und die Lust, Kunst zu machen"
Wenn Sie den "Musik"-Stern schon "durchwandert" haben, wissen Sie, daß
ich entschiedener "High-Ender" bin, d. h. die Klangqualität hat bei mir einen
sehr hohen Stellenwert. Es gibt da aber die eine und einzige Ausnahme, bei der
es nahezu egal ist, wie die Technik oder die Aufnahme klingt:
Maria Callas!
Ohne viel zu schreiben kann man es einfach so verdeutlichen:
Ihre EMI-Studioaufnahmen sind klanglich oft sehr gut (meist mono), ihre Live-Aufnahmen, egal
in welcher Veröffentlichung, meist relativ schlimm! Seien wir aber froh, daß
sie vorliegen, seien wir den "Piraten" dankbar, daß diese Dokumente gemacht
worden sind, denn vor allem sie zeigen fast immer "Prime Callas"; im Studio
konzentrierte sie sich auf den Feinschliff in höchster Auflösung, live geht
es dann eher "zur Sache"; man kann nur hingerissen sein, sprachlos staunen,
wenn man sie live erlebt, Klang egal!
Ich empfehle Ihnen daher folgende Bücher, nicht Tonträger, da immer andere, neue
live-Ausgabe-Kombinationen vorliegen. In den Büchern werden ihre Aufnahmen
vorgestellt mit einer Einschätzung, die ich vor allem bei Kesting exakt bestätigen
und nachvollziehen konnte!
1) "Maria Callas" von J. Kesting; Econ ISBN 3-612-26017-0, Taschenbuch.
Vielleicht das beste Callas-Buch, absolut exzellent! Schwerpunkt ist die Kunst
und nicht die "High-Society"; Textprobe daraus zum Thema "Was ist eine Primadonna?":
"Sie muß nicht nur die schöne, sinnliche (oder sinnen-reizende), unverkennbare
Stimme haben; ohne Musikalität, ohne Technik, ohne starke Nerven, athletische Energie,
Ausstrahlung, Persönlichkeit, diplomatisches Geschick und inneren Glanz (der
mit Glamour nicht zu verwechseln ist) ist kein Platz in jenen Rängen, die der
Primadonna vorbehalten.....Es ist nie, ist niemals die Handlungsreisende mit einer
schönen Stimme. Es ist nie, niemals die tüchtige, zuverlässige, stets vorbereitete
Sängerin; die kommt zum Einsatz, wenn eine wirkliche Primadonna fehlt. Die
Primadonna braucht mehr : Musikalität, Temperament, Ausstrahlung und Hingabe, und
sie braucht, nach Rossini, "Stimme, Stimme und nochmals Stimme"....Zur Diva.....aber
wird nur diejenige, die auf schier alchemistische Weise alle Fähigkeiten, Tugenden,
Eigenschaften und Qualitäten zu verschmelzen weiß und die sich...zuzumuten wagt,
gefährlich zu leben oder, wieder nach Nietzsche, hinaufmartern läßt in die Einsamkeit
des Ruhms."
Pause.
Die Empfehlungen der Aufnahmen im Buch kann ich nur bestätigen!
2) "The Callas Legacy" von J. Ardoin; Charles Scribner`s Sons.
Eine komplette Einschätzung aller (!) Aufnahmen nach Jahren geordnet von
1949-1974! Einzigartig und sehr wertvoll!
3) "Callas as they saw her" von D. A. Lowe; Ungar ISBN 0-8044-5636-4.
U. a. viele zeitgenössische Stimmen über Maria; sehr interessant!
4) "Callas, Gesichter eines Mediums"; Schirmer/Mosel ISBN 3-88814-669-0.
U. a. viele tolle Fotografien Marias, sehr sehenswert; meine subjektive Meinung:
Am schönsten war sie als Iphigenie (siehe oben), doch das Portraitfoto gleich am
Anfang des Buches (klick auf das Bild oben) ist für immer einfach unschlagbar!
Punkt!
Eine Textprobe aus diesem Buch, zitiert von Yves Saint-Laurent, kann ich Ihnen nicht
vorenthalten: "Es ist die Königin von Saba, die an uns vorbeizieht! Es ist die Kaiserin von China
und die Zarin aller Russen! Es ist die Königin von Spanien! Auf daß sich die Camerera
Mayor bereithält! Es ist Kleopatra! Es ist Aida. Verdoppelt die Trompeten. Vervierfacht
die Fanfaren! Es sind alle Königinnen und Kaiserinnen auf einmal!
Wer hätte dieser Stimme widerstehen können! Hypnotisiert segelte mein Schiff geradeaus,
um an den Felsen der Lorelei zu zerschellen!
Ich war verliebt!"
".....Du hast uns nicht viel Zeit gegönnt, aber genug, daß das Bedauern uns zerfrißt.
Und diese plötzliche Stille ist so schrecklich, so verzweifelt leer, so tragisch
beunruhigend, daß ich den Gedanken nicht vertreiben kann, daß der Tod deiner Stimme
ein fatales Vorzeichen war! Es war das Signal. Der Vorbote der Abenddämmerung, wo
sich alles verdunkeln wird. Es war das Ende einer Welt, in der du das letzte Fest warst,
das letzte Geschmeide, die letzte Flamme."
Bekannte Stücke von ihr von einer anderen gesungen wirken auf mich immer (immer!)
wie 2. Wahl, nicht aus einem Guß, nicht gesungen, sondern wie lediglich in serielle
Töne gesetzt.
Mit nur 53 mußte sie uns verlassen, es vollendete sich schließlich ein
klassisch-griechisches Drama:
"Meine Kerze brennt an beiden Enden,
und die Nacht überdauert sie nicht,
doch seht, meine Feinde und auch ihr, meine Freunde,
sie schenkt ein süßes Licht!"
Vom Olymp.
Ingeborg Bachmann sah Maria Callas zum ersten Mal 1956 als Violetta in Verdis La
Traviata an der Scala unter Giulini und schrieb eine sehr lesenswerte
"Hommage à Maria Callas"
(klick: pdf-Dokument 5,3kB)