Im Rollstuhl gut über Schwellen; OHNE Umbau!



Seit ungefähr April 2013 bin ich im Rollstuhl, nach 17 Jahren MS.
Am 1.7.2013 begann ich auf Anraten meines Arztes eine "Gesundheitsodyssee", die mir ausgiebige Einblicke in unser Klinik-, Heim- und Rehasystem gewähren ließ! Obwohl ich jetzt auf unser Thema kommen will, kann ich mir ein kurzes Urteil über unser "Gesundheits"system nicht verkneifen: Eine erschreckend(e,) schlechte Geldmaschine!

Zum Thema:
Wenn jemand im Rollstuhl landet, ist es immer tragisch.
Wenn es sich auch noch mit der Mattigkeit von MS kombiniert, ist man doppelt getroffen! Es folgt unweigerlich das Thema "behindertengerecht" bzw. "barrierefrei" in Verbindung mit der Umgebung des Behinderten, insbesondere ein kompletter Wegbau der (Tür-)Schwellen in der Wohnung, verbunden mit den entsprechenden Nachteilen, die nicht nur "nerven" können!

Ein durchschnittlicher Rollstuhlfahrer mit einer gewissen Restkraft in seinen Armen, die er zum Fahren auch benutzen kann, bräuchte diesen Umbau nicht, wenn er folgenden "Trick" anwendet - er hat sonst gegen eine 3-4cm hohe Schwelle keine Chance (außer sehr mühseliges Probieren mit Tür öffnen, Rückwärtsfahren und immer wieder Umdrehen), auch "Schwung nehmen" hilft nicht:

Hier ein einfaches Kräfteschaubild der technischen Mechanik, das auch die Frage nach dem Grenzfall beantwortet, ab wann ein Überwinden der Schwelle möglich ist.
Eine ähnliche Darstellung dieses klassischen Problemfalles bei Rollstühlen fand ich nirgends, erstaunlich (oder sowas wird irgendwo versteckt?).

Zuerst die Buchstabenbedeutung:
G, Gv, Gh = Gewichtskraft, am Vorderrad, am Hinterrad; G = Gv+Gh; Gv < Gh
SP = Schwerpunkt des Körpers des Rollstuhlfahrers im Stuhl
Ak = wirksame Armkraft
R, r = Radien der Räder des Rollstuhles
Alpha = Winkel zwischen der Lotrechten und der Verbindungsgeraden Mitte Vorderachse VA - berührte Schwellenstelle S
KR = Kraftresultierende an VA
Beta = Winkel zwischen der Lotrechten und KR
my = (Haft-)Reibkoeffizient zwischen Antriebsrad Rollstuhl und Boden
v = vertikal, h = horizontal

Es gilt:
Hemmung tritt ein, wenn Beta >= Alpha; hier kann die Schwelle nicht überwunden werden.
Die Schwelle wird überwunden, wenn Beta < Alpha ist: Fall iO.

Daraus erkennt man:
1) Trivialerkenntnis für gutes Überwinden: Möglichst große Vorderräder (die andere, aber verschmerzbare Nachteile haben) und kleine Schwellenhöhe: Alpha wird sehr groß, Beta leichter < Alpha.
2) Gesuchter Fall: Je mehr Ak - und damit KR - in Richtung nach oben zeigt, desto kleiner wird Beta und damit Alpha unterboten! Fall iO wird eher erreicht!
3) 2. Trivialerkenntnis: Ein glatter oder rutschiger Boden - kleines my - begrenzt stark die übertragbare Ak und lässt Beta zu groß, so dass die Hemmung bleibt. Fall iO wird nicht erreicht.

Praktische Umsetzung von Fall 2 iO:
Der Rollstuhlfahrer greift nicht herkömmlich im oberen/vorderen Bereich an den Greifring, sondern unter Zurücklehnen (kleines Beta!) im - so gut es geht! - hinteren/unteren Bereich und zieht nach oben, dabei Hände versuchen, nach vorne zu verdrehen (unterstützt kraftmäßig sehr gut)!

Der Verfasser dieser Erkenntnis (geschwächt, teilgelähmt, MS, wohnhaft im modernisierten Altbau Jahrgang 1896) bewältigt mühelos mehrmals am Tage damit Schwellen von ca. 3,3cm Höhe mit einem Sopur Breezy. Vorderradradius ca. 10cm!
Es ist klar, dass man die Schwellen möglichst senkrecht anfahren sollte, um eine hemmende Schiefstellung des Rollstuhles zu vermeiden!
Das Überfahren der Schwellen mit dem großen Antriebsrad gelingt leicht mit etwas Schwung!

Mir wurde von verschiedener Seite angeraten, diese Sachverhalte zugänglich zu machen.
Ist es möglich, dass so etwas Nützliches bisher so wenig bekannt ist?!

Ich wünsche, Ihnen etwas für Sie Vorteilhaftes vermittelt zu haben, damit rel. schmale Türöffnungen mit Schwellen in der Vorwärtsfahrt einfach überwunden werden können.

Dennoch wissen wir alle:
"Gesundheit ist nicht alles; aber ohne Gesundheit ist alles (Irdische) nichts!"
Und
"Als Kranker im Rollstuhl hat man nur einen Wunsch; als Gesunder hat man tausend Wünsche."

Zum Schluss wünsche ich uns allen, dass unsere Gesundheitsgebete vom dreifaltigen, barmherzigen Gott erhört werden mögen!





Im Oktober 2014
Rudolf Nikolaus Haberstroh
(seit über 18 Jahren krank, seit 1,5 Jahren unglücklich)




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