Jahrhunderte sind verstrichen! Da geschieht ein weiterer
bedeutsamer Schritt zu Ehren von Jeanne d'Arc. Monsignore Dupanloup, Bischof von
Orléans, ist der Träger des Gedankens. Am 8. Mai 1869 hält er aus Anlaß der uralten
Dankprozession eine glanzvolle Rede über die Heiligkeit der Heldin. Das zündet:
1874 geht man ernstlich ans Werk. Der gelehrte römische Advokat Hilaire Alibrandi
widmet der Bearbeitung der Sache die letzte Kraft seines Lebens. - Und eigen, am
selben Tage, zur selben Stunde, in der Jeanne d'Arc der Titel
"ehrwürdig" von der
Kirche zugeleit wird, geht er heim zum ewigen Frieden. Es war am 27. Januar 1894.
Einmal begonnen, ruhte man nicht. Gleichviel interessierte
man sich in Orléans und Rom. Der Erzbischof Touchet war die Seele der neuen Untersuchung
über das Heroische von Jeanne d'Arcs Tugend. Leo XIII., der große weitsichtige Papst,
prägte indessen das schlichte und doch so tiefe Wort: "Ioanna nostra est.
Johanna gehört
uns." Auf seinem Sterbebette freute er sich, daß man in Orléans seiner in
frommer
Fürbitte bei der Heldenjungfrau gedenke.
Am 18. April 1909 pflückte Papst Pius X., der kindlich-fromme
Heilige Vater, die reife Frucht langer Geistesarbeit. 40'000 Franzosen, unter ihnen
Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Mitglieder des Parlamentes, Offiziere, ein Herzog
von Alençon, Nachfahren der Familie d'Arc eilen zur St. Peterskirche in Rom, um Zeuge
der Seligsprechung von Jeanne d'Arc zu sein. Freudenfeste
folgen in ganz Frankreich
und fernab in den Kolonien.
Doch naht ein Hochfest für die ganze christliche Welt. Erzbischof
Touchet von Orleans ist am 6. Januar 1910 im Namen vieler französischer Kirchenfürsten
der offizielle Antragsteller zur Heiligsprechung Jeannes. Die Wunder
auf Fürbitte Jeannes
werden von der Ritenkongregation bestätigt. Konsistorialsitzungen folgen. Dann kommt der
Tag, auf den Jahrhunderte gewartet. Wieder eilen Tausende nach Rom, jene, die auserlesen
sind durch die Bande der Familie, den Adel der Geburt, die Würde des Amtes, den Segen
frommen Wesens, 60 Mitglieder der Familie d'Arc, der belgische König, Herzog und Herzogin
von Vendôme, der Kardinal Begin von Quebec mit 2 Erzbischöfen, 3 Bischöfen und 20
Priestern aus Kanada. Frankreichs offizieller Vertreter war der frühere Außenminister
Nanotaux, der sich als Historiker mit Jeannes Leben befaßte, ferner sechs Kardinäle,
69 Bischöfe Frankreichs, 16 Missionsbischöfe und mehr als 600 Priester.
Mit den Vertretern der anderen Nationen vereint, füllen sie
St. Peters, der Weltkirche, unendliche Hallen. Die Allerheiligenlitanei, das Miserere,
das Veni creator spiritus ist verklungen. Da ergeht der dreimalige Anruf:
"Nun ist die Stunde gekommen, die die Guten seit
so langer Zeit erwartet haben. Die Autorität St. Peters steht im Begriffe, die allgemein
hervorragende Tugend Jeanne d'Arcs zu heiligen. Daß das katholische Weltall aufhorche
und in der Heldin verehre die bewunderungswürdige Befreierin ihres Vaterlandes, ein
herrliches Licht der triumphierenden Kirche!"
Es erhebt sich die ganze Versammlung und der Papst
Benedikt XV. verkündet es der Welt:
"Zu Ehren der heiligen und unteilbaren
Dreifaltikeit, der
Erhöhung des katholischen Glaubens und zum Wachstum der christlichen Religion, durch
die Autorität Unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus
und der Unsrigen, nach reiflicher Überlegung, und nachdem Wir oft den göttlichen
Beistand angerufen haben, nach Ansicht Unserer ehrwürdigen Brüder der Kardinäle
der heiligen römischen Kirche, der Patriarchen, Erzbischöfe und der Bischöfe
gegenwärtig in der Stadt, bestimmen Wir und erklären heilig und schreiben in
den Katalog der Heiligen die selige Jeanne d'Arc ein, indem wir verordnen, daß ihr
Gedächtnis alle Jahre am 30. Mai in der Gesamtkirche gefeiert werde!"
Eine Weile Stille! - - - tiefinnerster Seelenjubel! - Die
Glocken St. Peters erschallen, - es klingen alle Glocken über die Hügel der Ewigen Stadt.
"Heilige Jeanne d'Arc, bitte für uns, auf daß wir würdig werden
der Verheißung Christi. Alleluia!" Das feierliche Amt beginnt. Der Heilige Vater
verliest das Evangelium.
Sein ist die Festansprache des Tages: "Gott erwählt die Schwachen in dieser Welt,
um die Mächtigen zuschanden zu machen"... "Wahrlich, geheimnisvolle Stimmen, die
sie hörte, haben ein armes, kleines, junges, unwissendes Mädchen in eine Heldin
verwandelt, die die härtesten Opfer bringt, die militärische Wissenschaft kennt,
menschenunmögliche Siege davonträgt, in die Geheimnisse der Herzen dringt und die
Zukunft weissagt; das alles zeigt, daß der Finger Gottes da ist.
Sie aber rettet ihr Vaterland, um die Herrschaft Jesu Christi
wieder herzustellen; sie aber schrieb alles dem ewigen Meister zu." Schön spricht er
von ihrem Leben, ergreifend von ihrem Sterben. Kraftvoll gibt er der Gegenwart eine
warnende Lehre: "Fast 500 Jahre sind seit dem Heimgange der Heldenjungfrau verstrichen.
Fügung des Himmels ist es, daß ihr Gedächtnis gerade jetzt gefeiert wird, wo die
Regierungen das Reich Christi nicht anerkennen wollen." Und doch: "Er muß herrschen,
er, dem der Vater die Herrschaft über alles gegeben hat."
Wir aber, die Kinder des sturmbewegten zwanzigsten Jahrhunderts,
wollen zu ihr flehen mit den Worten der Weihefahne des denkwürdigen Tages:
S. Joanna invicta, Christi miles, impetra nobis de hoste
maligno victoriam. Amen. -
Heilige Johanna, du Unüberwundene, Christi Kämpferin, erbitte uns Sieg über argliste
Feinde. Amen.
Quellen und Literatur:
Jules Quicherat, Procès de Condamnation et de Réhabilitation de Jeanne d'Arc dite
la Pucelle. Publiés pour la première fois d'après les manuscrits de la Bibliothèque
nationale, suivis de tous les documents historiques qu'on a pu réunir et accompagnés
de Notes, et d'éclaircissements. I-V 1841-1948. Paris.
Mgr. Henri Debout, Jeanne d'Arc. Grande Histoire Illustrée. Ouvrage couronné par l'Académie
Française. I. 1913, II, 1922, Paris.
Ph. H. Dunand, Jeanne d'Arc. Paris 1904.
1430: Gefangenschaft durch Verrat
1431: verbrannt auf dem Scheiterhaufen