aus Régine Pernoud, Marie-Véronique Clin: „Johanna von Orléans – Der Mensch und die Legende“; Bastei-Lübbe, Bergisch-Gladbach, 1991; ISBN 3-404-61210-8 .....Lagny war auch der Schauplatz einer weiteren Begebenheit, freilich ganz anderer Art: Eines Tages kommt jemand in das Haus, wo Johanna untergebracht ist, und fleht sie an, zu einem Neugeborenen zu gehen, das im Sterben liege, einem wenige Tage alten Säugling, der noch nicht getauft sei. Die Mutter ist bei ihm, auch Freundinnen, Mädchen aus der Stadt.
Das Kind hat drei Tage lang kein Lebenszeichen gegeben,
»es war schwarz wie mein Kettenhemd«, sollte Johanna später aussagen. Sie beginnt
zu beten: »Ich kniete mit den Jungfrauen vor Unserer Lieben Frau und betete«,
berichtete sie, als das Kind erwachte.
Es gähnte dreimal, wurde getauft und
starb bald danach. Jetzt konnte es in geweihter Erde begraben werden...... |
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aus Régine Pernoud: „Jeanne d`Arc – Glaube, Kraft, Vision“; Kösel Verlag, München, 1995; ISBN 3-466-34326-7 .....Man hatte sie also im Verlauf ihrer berittenen Unternehmungen verschiedentlich gebeten, Kinder aus der Taufe zu heben, und sie scheint sich gern bereiterklärt zu haben, Patin dieser »Gelegenheitstäuflinge« zu werden.
Noch bedeutungsvoller ist die Tatsache, daß es bei der einzigen Geste, die man im Leben
Jeannes als Wunder ansehen kann, um die Taufe eines kleinen Kindes geht. Es handelt
sich um die Episode von Lagny. Überlassen wir ihr das Wort: »Das Kind war drei Tage alt und man brachte es nach Lagny vor das Bild Unserer Lieben Frau. Man sagte mir, alle Jungfrauen der Stadt seien zu dem Gnadenbild gekommen. Man bat mich, dort zu Gott und Unserer Lieben Frau zu beten, daß sie dem Kindlein Leben schenkten. Ich ging hin und betete mit den anderen. Und endlich zeigte sich Leben in ihm; es gähnte dreimal und da wurde es getauft; und es starb bald darauf und wurde in geweihter Erde begraben. Drei Tage lang war, wie man sagte, kein Lebenszeichen in dem Kind. Es war schwarz wie mein Wams. Aber als es gähnte, begann ihm die Farbe zurückzukehren.« Es handelte sich also um ein Kind, das man für totgeboren hätte halten können und bei dem eine plötzliche Wiederbelebung die Taufe ermöglichte. ..... Jeanne berichtet den Vorfall mit großer Diskretion und Schamhaftigkeit, und sie fügt hinzu, daß sie selber »mit den anderen Jungfrauen vor Unserer Lieben Frau kniete, um zu beten«. Woraufhin der Richter nicht lockerläßt: »Hat man nicht in der Stadt gesagt, Ihr hättet es vollbracht mit Eurem Gebet?« Worauf sie antwortet: »Ich fragte nicht danach«. (Samstag, 3. März) Man muß das Einzigartige dieser Begebenheit festhalten, denn - und dies ist für das Verständnis ihrer Spiritualität wichtig - man stößt im Leben der Jeanne d'Arc auf keine im eigentlichen Sinne wunderbaren Geschehnisse...... Nur in Lagny greift sie ein, und sie betet ausdrücklich dafür, daß ein kleines, neugeborenes Menschenwesen als zur Kirche gehörig betrachtet werden könne. Für uns, die wir im 20. Jahrhundert leben, macht dies einige Überlegungen erforderlich - zunächst über die Wichtigkeit der Taufe,..... Wenn man sich nun aber auf das Evangelium bezieht, ist die Wichtigkeit der Taufe nicht die eines einfachen Ritus, dem man sich eben unterzieht; der Beweis dafür: das Gespräch Christi mit Nikodemus, der heimlich nachts gekommen war, um sich über diesen Punkt aufklären zu lassen: »Es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist«. (Joh. 3,5) ..... Hier wird einem Menschen das Leben des Geistes eingehaucht; er wird auf diese Weise der Kirche fest verbunden, die nun einmal die Gemeinschaft der Getauften ist...... .....durch die Taufe tritt man in die Kirche ein, und dessen sind sich die »kleinen Leute« genauso bewußt wie die Geistlichen - ein Bewußtsein, das im II. Vatikanischen Konzil wieder zu Ehren gebracht werden sollte. Folglich haben wir es hier mit einem wichtigen Bestandteil der Spiritualität von Jeanne zu tun, in der die geistige Einstellung ihrer Zeit zum Ausdruck kommt...... Zur Zeit Jeannes ist die Taufe, die den Menschen in den Schoß der christlichen Gemeinschaft eingliedert und für das Leben des Geistes öffnet, etwas, das man für jedes Kind absolut herbeiwünscht, etwas wie die Milch - seine erste Nahrung - oder wie die normalen Bedingungen des Lebens, ein Heim also, eine Familie, ein Dach über dem Kopf, eine Wiege. Die Taufe ist Teil jener Lebensbedingungen, die man gerade dann ersehnt, wenn das Kind noch nicht wählen kann. Betrachtet man das Leben von Jeanne im Ganzen, dann erweist sich, daß sie von frühester Jugend den Sakramenten und der Erfüllung der Pflichten der Kirche - einer Kirche, die selbst einziges Sakrament des Heils ist - stark verbunden war. Dies verhielt sich im Einklang mit dem Wort »Kein Heil außerhalb der Kirche«, dessen Sinn später verfälscht wurde...... |
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